1973: Artikel von Hans-Peter Petersen

Vor­be­mer­kun­gen von Boy Feil
Die­ser Arti­kel stammt wahr­schein­lich aus der Bruns­büt­te­ler Zei­tung, Nr. 304, Mon­tag, 31. Dezem­ber 1973. Der Ver­fas­ser ist Hans-Peter Peter­sen, Mit­au­tor der Müh­len­ge­schich­te Dith­mar­schens, Boy­ens Buch­ver­lag, Hei­de.

Und last not least: Der Mül­ler Hin­rich Mei­nert war mein Ururururururgroßvater …


Kirchspielsvogt nannte das Kind beim Namen

„Diese Müller haben sich ein Monopol fabricirt, bei dem sie fett werden“

Im Hau­se des kürz­lich verstor­benen Gast­wir­tes Johan­nes Süel in Oster­moor hing jah­re­lang das Bild einer Wind­müh­le, die einst dicht bei sei­nem Hau­se gestan­den und sei­nem Groß­va­ter Johann Jacob Süel gehört hat­te. Eine Vor­gängerin die­ser Müh­le fiel im Jah­re 1717 der ver­hee­ren­den Sturm­flut zum Opfer; das glei­che Schick­sal erlit­ten auch die Müh­len in Aver­lak und Wes­ter­büt­te!. Wäh­rend aber die­se wie­der neu ent­standen, fehl­te es in Oster­moor, wo nur „lei­ne Leu­te“ leb­ten, jahr­zehntelang an einem kapitalkräf­tigen und unter­neh­men­den Man­ne, der eine neue Müh­le hät­te betrei­ben können.

Die­ser fand sich gegen Ende des 18. Jahr­hun­derts in Hin­rich Mei­nert, Sohn des Peter Mei­nert. Aus klei­nen Anfän­gen hat­te er sich empor­ge­ar­bei­tet und besaß im Jah­re 1786 nicht nur einen statt­lichen Hof, son­dern auch eine Zie­ge­lei. Sein Plan, außer­dem eine Korn­müh­le anzu­le­gen, sprach sich schnell in der Land­schaft her­um und erreg­te in der Bauern­schaft Freu­de, bei den benach­barten Mül­lern dage­gen Ärger und Furcht vor geschäft­li­chen Verlusten.

So kam es, daß Jochim Klun­ker, Päch­ter der könig­li­chen Müh­le in Büt­tel, und die Eigen­tü­mer der Müh­len zu Wes­ter­büt­tel (Ge­brüder Thom­sen in Kattre­pel und die Kirch­spiels­vög­tin Piehl auf Josen­burg), Aver­lak (Wit­we Kra­mer) und Bruns­büt­te­ler Neuen­koogshafen (Jür­gen Suhr) in ei­nem „aller­un­tert­hä­nigs­ten Ge­such“ an den König ihre Befürch­tungen in den düs­te­ren Far­ben schil­der­ten und ihn baten, nicht nur den Müh­len­bau vor­läu­fig zu ver­bie­ten, son­dern ihnen auch Mei­nerts Kon­zes­si­ons­ge­such zur Anmel­dung ihrer Ein­wän­de vor­zulegen. Die Regie­rung for­der­te zunächst einen Bericht von dem Land­vogt Boie an, der sei­ner­seits ein Gut­ach­ten der Kirch­spiels­vög­te Dührssen/Eddelak und Hedde/Brunsbüttel einholte.

Anmer­kung Boy Feil
Im Arti­kel ist an die­ser Stel­le ein Pho­to eines noch heu­te exis­ten­ten Gemäl­des der Müh­le abge­bil­det – aus urhe­ber­recht­li­chen Grün­den las­se ich das Pho­to weg. Die zum Bild gehö­ren­de Legen­de lau­tet: „Foto re. Oster­moors Müh­le, wie sie noch auf einem Bild im Süel­schen Hau­se in Oster­moor zu sehen ist. Sie fiel 1892 einem Scha­denfeuer zum Op­fer und wur­de nicht wie­der auf­gebaut. — Samm­lung Petersen“.

Die­se bei­den weit­bli­cken­den Män­ner wie­sen mit Nach­druck auf die land­schaft­li­chen Pri­vi­le­gi­en hin, nach denen jeder Dith­marscher berech­tigt war, eine Müh­le zu bau­en, wäh­rend in den übri­gen Tei­len der Her­zog­tü­mer nur mit lan­des­herr­li­cher Geneh­mi­gung Müh­len erstellt wer­den durf­ten. Die­ses aus den Tagen der Frei­heit her­über­ge­ret­te­te Vor­recht der Dith­marscher wäre mittler­weile sowohl bei den Ein­woh­nern als auch bei der Regie­rung in Ver­gessenheit gera­ten, so daß seit 1750 meh­re­re Inter­es­sen­ten ganz unnö­ti­ger­wei­se Mühlenkonzessio­nen bean­tragt hät­ten; die­se Ge­suche waren von der Regie­rung teils bewil­ligt, teils auf Einsprü­che der Kon­kur­ren­ten hin verwei­gert worden.

Wir müs­sen viel­mehr mit Be­dauern bemer­ken“, fuh­ren die Kirch­spiel­vög­te fort, „daß die­se Gegend in der Nähe des so schö­nen und zur Aus­fuhr bequem gele­ge­nen Bruns­bütt­ler Hafens noch so müh­len­leer sey. Die­se Gegend müß­te voll Müh­len ste­hen, und sie wird es hof­fent­lich noch wer­den, wenn der jetzt ent­ste­hen­de Indus­trie­geist der Dith­marscher nicht aus Hab­sucht eini­ger weni­ger Men­schen im Kei­me erstickt wird. Immer noch füh­ren wir un­sere Pro­duc­te roh aus, und kau­fen sie um einen theu­ren Preiß ver­edelt wie­der. Dahin­ge­gen bei meh­re­rer Indus­trie gra­de die­se Gegend am Hafen der Markt für Ham­burg seyn konn­te, und wir unse­re Pro­duc­te um einen weit höhe­ren Preis abset­zen könn­ten. Gera­de die gerin­ge Anzahl der Müh­len in der erwähn­ten Gegend ist das Unglück des armen Man­nes, denn der lei­det fürch­ter­lich, wenn nicht die Con­cur­renz von meh­re­ren Müh­len den Mit­tel­preis erhal­ten wird. Die drei oder vier Mül­ler wer­den sich unter der Hand bald um den Preis des Mah­lens einig. Sie sau­gen daher dem armen Arbeits­mann recht das Mark aus den Kno­chen, indem sie nicht ein­mal rei­ne Ware lie­fern, son­dern fau­les Mehl. Gersten­mehl und Boh­nen­mehl unter Weit­zen­mehl mischen, und doch ein paar Mark mehr für die Ton­ne neh­men, als der gän­gi­ge Preis ist … Die­se Mül­ler haben sich da­her gewis­ser­ma­ßen ein Mono­pol fabri­ciert, bei dem sie sich so wohl befin­den und fett wer­den, daß sie kei­nen neben sich dul­den wol­len.“ Die Kirch­spiel­vög­te rie­ten also, das Gesuch der Mül­ler abzu­leh­nen, wor­in sich ihnen in sei­nem Bericht der Land­vogt Boie anschloß.

Sei­ne fei­ne Menschlich­keit bewies er in fol­gen­den Wor­ten: „Das Dorf ist nach und nach wie­der ange­baut und gehört jetzt zu den von Käthe­nern und armen Leu­ten am meis­ten bevöl­ker­ten Dorf­schaf­ten der Land­schaft. War­um soll­ten die­se Leu­te nicht eine Müh­le wie­der haben, da sich dazu jetzt der unter­neh­men­de Mann, der sie bau­en kann und will, fin­det? Und wenn die­sem Müh­len­bau auch alles entgegen­stünde, so wäre es, mei­nes Bedün­kens, men­schen­freund­lich, wenn man die Schwie­rig­kei­ten aus dem Wege räum­te und dafür sorg­te, daß die­se arme, sehr men­schen­vol­le Bau­er­schaft eine eige­ne Müh­le erhielte.“

Inzwi­schen hat­te Mei­nert eine Kon­zes­si­on bean­tragt, die ihm am 29. 8. 1798 durch den Statt­hal­ter, Carl Prinz zu Hes­sen, gewährt wur­de: „Auf ohn­längst gesche­hene Vor­stel­lung und Bit­te des Ein­ge­se­ße­nen Hin­rich Mei­nert auf dem Oster­mohr in Süd­er­dith­mar­schen haben Se. Königl. Maye­stät Aller­höchst resol­virt, daß dem Sup­pli­can­ten erlaubt wer­den möge, daselbst auf dem Bra­ak­dei­che eine Wind­müh­le mit einem Mehl- und Grau­pen-Gan­ge zu erbauen.“

Auf einem drei­ecki­gen Land­stück auf dem alten Deich, das er von David Nico­laus Gösert für 40 M erwor­ben hat­te, ließ Mei­nert das Gebäu­de (wohl eine Bock­mühle) auf­füh­ren. Schon bald über­ließ er sie sei­nem Sohn Peter, der aber bereits im Janu­ar 1802 bei einer Ver­stei­ge­rung den Hof der Catha­ri­na Boie im Bruns­büt­te­ler Neu­en Koog erwarb und zuerst die Land­stel­le in Oster­moor an Ties Tie­ßen, die Müh­le 1803 an Chris­ti­an Has­sel­mann aus Krum­men­diek ver­äu­ßer­te. Einen Sohn Marx des neu­en Besit­zers erwäh­nen alte Akten 1806 als Päch­ter in St. Mar­ga­re­then; 1831 starb er kin­der­los als Besit­zer der Müh­le in Fed­de­rin­gen. — Nach dem Tode des Chris­ti­an Hassel­mann blieb sei­ne Wit­we Marga­retha geb. Strü­fen Besit­ze­rin, bis auch sie die Augen schloß (1838). Ihre Erbin Mar­gre­the Haß geb. Has­sel­mann behielt das Anwe­sen acht Jah­re lang und ver­kauf­te es 1846 wie­der­um an eine Frau: Anna Catha­ri­na Süel geb. Ahn­feldt. Deren Ehe­mann Johann Jacob Süel, der Groß­va­ter des ein­gangs erwähn­ten Johan­nes Süel, stamm­te aus Westerbelm­husen und über­leb­te sei­ne Frau, nach deren Tode (1859) er die Müh­le erb­te. Mit einer Thies­sen-Toch­ter ging er eine zwei­te Ehe ein. Die ererb­te Wind­müh­le mit 18 Ruthen Frei­land, einer Mehl­kis­te. Beu­tel­kis­te, Maßen und Gewich­ten ver­kauf­te er 1862 an sei­nen Schwa­ger Hin­rich Boje, wäh­rend er das Wohn­haus (das erst 1912 abge­bro­chen wur­de) für sich behielt. Bojes Kin­der blie­ben sämt­lich ledig; zwei der Söh­ne betrie­ben gemein­schaft­lich Müh­len in Wes­ter­meng­husen und spä­ter Neu­en­koogs­deich. — Ihr Vater ließ ein neu­es Mül­ler­haus errich­ten und ersetz­te die alte Müh­le durch einen Neu­bau, der über 2 Mehl­gän­ge, einen Graupen­gang und eine Beu­tel­kis­te ver­fügte. Boje konn­te sich wirt­schaftlich nicht hal­ten. Die „Dith­marscher Blät­ter“ veröffentlich­ten am 18.12.1871 fol­gen­de Be­kanntmachung: „Am Mitt­woch, den 10. Janu­ar 1872. vor­mit­tags 10 Uhr. Soll … das zur Con­curs­mas­se des Mül­lers Hin­rich Boie im Bruns­büt­te­ler Neu­en Koo­ge gehö­ri­ge Müh­len­ge­we­se, beste­hend in einer vor cir­ca 10 Jah­ren neu erbau­ten Wind­müh­le mit al­lem Inven­tar und einem gleich­zeitig neu erbau­ten Wohn­hau­se nebst reich­lich 20 Qua­drat­ruthen Hof- und Gar­ten­raum, im Hau­se des Kauf­manns Franz Thies­sen auf Oes­ter­moor durch das unter­zeichnete Gericht wie­der­um öf­fentlich meist­bie­tend verkauft.“

Bei die­ser Auk­ti­on erstei­ger­te der Ren­tier Asmus Rei­mer Wil­helm Busch aus dem Kronprinzen­koog das Anwe­sen, das er nach eini­gen Jah­ren dem Mül­ler Hin­rich Thor­mäh­len überließ.

Am 23. August 1892 herrsch­te eine so drü­cken­de Hit­ze, daß über­all in der Süd­er­marsch die Ern­te­ar­bei­ter schon kurz nach dem Mit­tag­essen wie­der nach Hau­se gin­gen, weil ihnen die Schwü­le das Arbei­ten unmög­lich mach­te. Gegen acht Uhr abends brach ein schwe­res Gewit­ter aus, das an vie­len Orten Schä­den an­richtete. Ein Blitz traf die Oster­moorer Müh­le und setz­te sie in Brand. In kur­zer Zeit stand das mäch­ti­ge Gebäu­de in hel­len Flam­men. Von den Flü­geln riß der Sturm die glü­hen­den Segel und schleu­der­te sie auf das Dach eines Nach­bar­hau­ses, das, wie die Müh­le, den Flam­men zum Opfer fiel. Das Mül­ler­haus ließ der Brand unversehrt.

Auf einen Wie­der­auf­bau sei­ner Müh­le ver­zich­te­te Thor­mäh­len. Über die Grün­de für sei­nen Ent­schluß berich­te­te zwei Jah­re spä­ter Jus­tiz­rat Hed­de in einem Schrei­ben an die Regierung:

… Er hat die Müh­le damals von Grund auf reno­viert und durch Fleiß und Umsicht sich einen gro­ßen Kun­den­kreis erwor­ben. Durch den erfolg­ten Bau des Nord-Ost­see-Kanals ist das ganz nahe an dem­sel­ben bele­ge­ne Müh­len­ge­we­se des Antrag­stel­lers voll­stän­dig ent­wert­het wor­den. Nicht nur, daß ein erheb­li­cher Land­com­plex in unmit­tel­ba­rer Nähe der Müh­le, wel­ches frü­her dem Korn­bau dien­te, zum Kanal­bau ver­wandt ist und um die­se Anbau­flä­che sei­nen Müh­len­ray­on ver­rin­gert; es ist ihm, was weit schlim­mer, die beße­re Hälf­te sei­nes Kunden­kreises durch den Kanal abge­schnitten wor­den. Die gesamm­te nörd­li­che Sei­te des bewohn­tes­ten und reichs­ten Theils der Marsch, der frü­her auf den Gebrauch sei­ner Müh­le ange­wie­sen war, kann jetzt nur mit gro­ßer Unbequem­lichkeit und Zeit­ver­lust über die Fäh­re bei Oes­ter­moor zu sei­ner Müh­le gelan­gen und zieht daher vor, die viel ent­fern­te­ren Müh­len in Wes­ter­büt­tel, Aver­lack und Edde­lack zu benut­zen, zumal die Wege durch den Last­be­trieb nach dem Kanal im Win­ter völ­lig un­fahrbar gewor­den waren. An­tragsteller, der stets mit einem Pfer­de sei­nen Betrieb besorgt hat­te, muß­te von der Zeit des Kanal­bau­es an drei Pfer­de für den­sel­ben hal­ten … Dem­nach liegt es auf der Hand, daß sein Müh­len­be­trieb nie­mals die frü­here Höhe wird wie­der erlan­gen kön­nen, nur ist ein Wie­der­auf­bau der Müh­le unrationell.“

Ob der Antrag auf eine Ent­schädigung nach dem Enteig­nungsgesetz erfolg­reich war. ist nicht bekannt. Thor­mäh­len blieb in Oster­moor und wid­me­te sich der Bewirt­schaf­tung sei­ner Län­dereien, um die er sein Mühlen­gewese nach und nach ver­grö­ßert hat­te. Im Jah­re 1912 trug man den Müh­len­berg ab und ent­deck­te dabei altes Eichen­holz, das wohl von der älte­ren Müh­le stamm­te. Das Mül­ler­haus ver­fiel 1930 dem Abbruch.

Autor: Hans-Peter Peter­sen


Fami­li­en der Eigen­tü­mer der Müh­le am Ostermoorweg
(Mühl­en­ei­gen­tü­mer hervorgehoben)

Die Mei­nerts (aus W. John­sen, 1961: Bau­ern, Hand­wer­ker, See­fah­rer. Ver­ein für Bruns­büt­te­ler Geschich­te. S. 229)

  1. Peter Mei­nert (1698 – 1762), ver­hei­ra­tet seit 1726 mit Ant­je Regelts (zir­ka 1704 – 1775)
  2. deren Sohn Hin­rich Mei­nert (1741 – 1798), ver­hei­ra­tet seit 1768 mit Gesche Mei­nert, geb. Witt­rock (1734 – 1788)
  3. deren Sohn Peter Mei­nert (1769 – 1821), ver­hei­ra­tet seit 1790 mit Mar­ga­re­tha Winter
  4. deren Toch­ter Mar­ga­re­tha (1793 – 1876), ver­hei­ra­tet mit Dani­el Peters, Hof­be­sit­zer in Wes­ter­büt­tel (1796 – 1890)
  5. deren Toch­ter Katha­ri­na Mag­da­le­ne, ver­hei­ra­tet mit Peter Boie, Hof­be­sit­zer im Neu­en Koog. Die­se bei­den sind mei­ne Urur­ur­groß­el­tern; sie leb­ten auf dem spä­te­ren Feil-Hof am Ostermoorweg

Die Süels (aus O. Egge, 1983: Die Bau­ern­hö­fe der Wils­ter­marsch mit den Fami­li­en ihrer Besit­zer. Ver­ein Wils­ter­marsch­hö­fe. S. 547)

  1. Johann Jakob Süel (1820 – 1889), ver­hei­ra­tet in zwei­ter Ehe seit 1860 mit Wieb­ke Maria Thieh­sen (1838 – 1910)
  2. deren Sohn Her­mann Micheel Süel (1863 – 1947), ver­hei­ra­tet seit 1887 mit Gesche Mar­ga­re­tha Thieh­sen (1860 – 1937)
  3. Franz Johan­nes Süel (1888 – 1973), ledig
  4. des­sen Nef­fe Her­bert Ber­nard (1927 – 1993), ver­hei­ra­tet seit 1968 mit Ursu­la Gärt­ner (1931-); letz­ter Eigen­tü­mer des Süel­schen Hofes in Ostermoor

[Anmer­kung, 27. April 2013: Ein Arti­kel von Boy Feil zur Müh­len­ge­schich­te Oster­moors ist →hier zu finden.]