Die Mühlengeschichte Ostermoors

Die frühen Müller

Der ers­te, aller­dings vage Hin­weis auf die Exis­tenz einer Müh­le in der Bau­er­schaft Oster­moor stammt aus der Zeit um 1300. In den Ver­trä­gen von 1308 und 1316 wird ein See­räu­ber namens Ame­ke Mul bzw. Mule auf­ge­führt. Wenn man nun annimmt, dass mit Mul/Mule eine Müh­le gemeint war (und kein Maul oder ein Muli) und Ame­ke Mule wirk­lich auf den Gro­ven vor dem Oster­moor leb­te, wie Lip­pert (1962) ver­mu­te­te, dürf­te er Mül­ler gewe­sen sein – oder er leb­te zumin­dest bei einer Mühle.

Eine Müh­le setzt den Anbau von Korn vor­aus. Die­ser war nur mög­lich, wenn Dei­che die Äcker im Früh­jahr und Som­mer vor Hoch­was­ser schütz­ten. Die Bau­er­schaft Oster­moor besaß dem­nach um 1300 Deiche.

Der ers­te uns nament­lich bekann­te Oster­moorer Mül­ler leb­te um die Zeit der Letz­ten Feh­de (1599) und hieß Maes Johan. Wir wis­sen von ihm durch das Brü­che­re­gis­ter von 1560. Die­sem ist zu ent­neh­men, dass er die Frau eines Hulcke Drees ver­un­glimpft hat­te und des­halb mit 5  Mark Stra­fe belegt wur­de  (LAS AR S.-Dithm. 1560). Schon im nächs­ten Jahr fiel er wie­der auf: „Maeß Johan heft Peters Har­der unnd siner Sus­ter Scha­den gedan“. Dies­mal waren 2 Mark fäl­lig (LAS AR S.-Dithm. 1561).

Ihm soll laut John­sen (1961, S. 204) sein Sohn „Maß Johanns Hin­rick“ gefolgt sein. Im ers­ten Acker­schatz­re­gis­ter von 1561 fin­det man zwei Brü­der namens „Maeß Johans Hin­rick“ und „Maeß Johans Peter“ mit für die dama­li­ge Zeit beacht­li­chen Höfen. Es scheint also, dass die Mül­le­rei in der Hand von unter­neh­me­risch täti­gen Bau­ern lag.

Um die­sel­be Zeit leb­te auf dem Oster­moor noch ein wei­te­rer Mül­ler, genannt „Jur­genß Har­der Mar­ten Mol­ler“. Auch sein Name ist durch das Brü­che­re­gis­ter (1561) überliefert.

Zwei Windmühlen und viele Quernen

Die Nen­nung von zwei Mül­lern lässt die Exis­tenz von min­des­tens zwei Wind­müh­len in der Bau­er­schaft Oster­moor ver­mu­ten. Von die­sen wird eine 1671 das letz­te Mal in den Amts­rech­nun­gen auf­ge­führt – viel­leicht brann­te sie ab, oder sie ren­tier­te sich nicht mehr und wur­de des­halb abgebrochen.

1680 wur­den im gesam­ten Kirch­spiel Bruns­büt­tel auf vier Wind­müh­len und elf Quer­nen (Hand­müh­len) Steu­ern erho­ben (LAS AR S.-Dithm. 1680). Von den vier Wind­müh­len befand sich jeweils eine in Müh­len­stra­ßen (Mül­ler unbe­kannt) und in Oster­moor (Clauß Hanß), und zwei wei­te­re stan­den in der Bau­er­schaft Bruns­büt­tel (Hin­rich Rit­scher und Mat­thies Rolffs).

Von den elf Quer­nen­mül­lern waren min­des­tens sechs, näm­lich Peterß Jacob, Johann Tie­de­mann, Wil­ken Sie­richs, Holm Mar­ten, Peter Kohl­saht und Raven Hanß, in Oster­moor sess­haft. Die gro­ße Zahl von Quer­nen­mül­lern in Oster­moor resul­tier­te wahr­schein­lich aus der Tat­sa­che, dass kurz zuvor eine der bei­den Oster­moorer Wind­müh­len ein­ge­gan­gen war.

Der Stand­ort von einer der Oster­moorer Wind­müh­len des 17. Jahr­hun­derts ist rela­tiv genau über­lie­fert. Sie befand sich unweit des Land­wegs in der Nähe des spä­te­ren Koogs­wegs. Lip­pert (1962) ver­or­te­te sie am „Moh­len­damm“, einer (gedach­ten?) Fort­set­zung des Koogs­wegs in Rich­tung Elb­deich. Wahr­schein­lich wur­de Lip­pert bei der Her­stel­lung sei­ner his­to­ri­schen Kar­te des Kirch­spiels von einer Skiz­ze aus dem Jah­re 1687 inspi­riert (Abbil­dung 1). Nach die­ser befand sich die Müh­le süd­lich und in eini­gem Abstand vom Land­weg, des­sen Ver­lauf durch die Lage der Wohn­plät­ze ange­deu­tet wird. Einer Kar­te von 1719/20 zufol­ge müss­te sich die Müh­le jedoch direkt am Land­weg befun­den haben (Abbil­dung 2). Auch in der Meier’schen Kar­te von 1648 ist die Müh­le deut­lich nörd­lich vom Fleth am Land­weg lie­gend ein­ge­zeich­net (Abbil­dung 4).

Die Stand­ort­fra­ge bleibt also vor­erst unge­klärt. In die­sem Zusam­men­hang möch­te ich aber dar­auf hin­wei­sen, dass noch in der Neu­zeit zir­ka 80 m nörd­lich der Fähr­stra­ße, zwi­schen dem Hinck’schen Hof und dem Koogs­weg lie­gend, eine klei­ne unbe­bau­te Erhö­hung zu erken­nen war, zu der ursprüng­lich ein Weg führ­te. Da die Abbil­dun­gen 1 und 2 eine auf einer Wurt gele­ge­ne Müh­le zei­gen, könn­te es sich bei den die­sen Gelän­de­struk­tu­ren um die Res­te einer Müh­len­wurt mit Zufahrt gehan­delt haben.

Eine Notiz des Krem­per Dia­kons Sau­cke lie­fert einen Hin­weis auf den mög­li­chen Name der Müh­le. Sau­cke schrieb: „Anno 1684 sind aus­ge­tei­chet gegen Oster­mühl 88 Mor­gen mit 10 heu­ser.“ (Det­lef­sen, 1892, S. 21). Det­lef­sen weist zu recht auf die Mög­lich­keit der Ver­wechs­lung von „Oster­mühl“ mit „Oster­moor“ hin. Jedoch zeigt Abbil­dung 1, dass die von Sau­cke ange­spro­che­nen Aus­dei­chun­gen in der Bau­er­schaft Oster­moor tat­säch­lich nahe der mut­maß­li­chen Oster­mühl vor­ge­nom­men wur­den. Die Müh­le stand nach der Weih­nachts­flut 1717 und der Eis­flut von 1718 noch, wie Abbil­dung 2 erken­nen lässt. Sie wur­de jedoch bald auf­ge­ge­ben und auch nach der Wie­der­eindei­chung der Bau­er­schaft im Jah­re 1762 nicht wie­der aufgebaut.

Abbil­dung 1: Aus­schnitt aus einer Skiz­ze der 1687 geplan­ten Deich­bau­ten. Sie zeigt den Sol­da­ten­deich, auf dem heu­te teil­wei­se die Fähr­stra­ße ver­läuft („neu­er Haupt­deich anno 1687 gemacht“) sowie den alten („alter Deich so nun­mehr ver­la­ßen“) und neu­en („anno 1687 repa­rirt“) Elb­deich. Süd­lich des Fleths ist die Müh­le zu erkennen.

 

Abbil­dung 2: Die Bau­er­schaft Oster­moor auf einer Kar­te von 1719/20. Die Müh­le und weni­ge Bau­ten im öst­li­chen Teil der Bau­er­schaft haben die Weih­nachts­flut
von 1717 und die Eis­flut von 1718 über­stan­den. Die­ser Kar­te zufol­ge dürf­te die Müh­le am Land­weg gestan­den haben.

 

Der Stand­ort der zwei­ten Wind­müh­le ist schwe­rer zu ermit­teln. Ein gro­ben Hin­weis lie­fert die See­kar­te von Jans­zoon Wag­he­na­er von 1586 (Abbil­dung 3). Der Aus­schnitt zeigt das Elb­ufer vor Oster­moor und Bruns­büt­tel, wie es sich den See­fah­rern prä­sen­tier­te. Bei den bei­den sche­ma­tisch dar­ge­stell­ten Sied­lun­gen am Elb­ufer han­delt es sich um den Fle­cken Bruns­büt­tel und eine Ansamm­lung von Behau­sun­gen im Bereich der heu­ti­gen Ostert­weu­te. Dazwi­schen sind drei Wind­müh­len zu erken­nen. Die Kar­te bestä­tigt unse­re oben geäu­ßer­te Ver­mu­tung, dass schon im 16. Jahr­hun­dert zwei Wind­müh­len in der Bau­er­schaft Oster­moor betrie­ben wurden.

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Abbil­dung 3: Aus­schnitt aus der See­kar­te von Jans­zoon Wag­he­na­er aus dem Jah­re 1586.

 

Abbil­dung 4: Aus­schnitt aus der Kar­te von Mei­er aus dem Jah­re 1648.

 

Ich neh­me an, dass die Stand­or­te der Müh­len eini­ger­ma­ßen rea­li­täts­nah dar­ge­stellt sind, weil sich Müh­len gut zur Stand­ort­be­stim­mung von Schif­fen eig­ne­ten. Im Ein­klang mit der Kar­te war der Elb­deich ursprüng­lich tat­säch­lich mit Bäu­men bestan­den. Dies beein­träch­tig­te natür­lich die Deichsi­cher­heit. Unter dem Ein­druck der Sturm­flut vom 7. Okto­ber 1756 ste­hend wur­den des­halb in der Wils­ter­marsch im Jah­re 1757 alle Deich­bäu­me abge­schla­gen. Dies geschah im Som­mer und nicht etwa nach der Obst­ern­te im Herbst, was die armen Leu­te gegen die Obrig­keit auf­brach­te (Jen­sen, 1913, S. 318).

Um eini­ges jün­ger als die Kar­te von Jans­zoon Wag­hen­aar ist die von Mei­er (Abbil­dung 4). Auch sie zeigt drei Müh­len zwi­schen dem Fle­cken Bruns­büt­tel und dem Holstengraben.

Bei der öst­lichs­ten Müh­le han­delt es sich sicher um die bereits oben erwähn­te mut­maß­li­che Oster­müh­le, wäh­rend die west­lichs­te in der Bau­er­schaft Bruns­büt­tel stand. Sie soll sich laut zeit­ge­nös­si­schen Ver­trä­gen am Bel­mer Weg befun­den haben (Peter­sen und Scher­reicks, 2006, S. 51). Bei der mitt­le­ren Müh­le wird es sich um die im spä­ten 17. Jahr­hun­dert ver­schwun­de­ne zwei­te Oster­moorer Müh­le han­deln. Nach der Meier’sche Kar­te waren die bei­den Oster­moorer Müh­len nicht all­zu weit von ein­an­der ent­fernt. Die Rei­he von Häu­sern, in die die Müh­len ein­ge­ge­bet­tet sind, lässt ver­mu­ten, dass sich bei­de Müh­len am Land­weg befanden.

Nach 1762

Nach der Wie­der­eindei­chung des Oster­moorer Are­als im Jah­re 1762 wur­den zunächst kei­ne neu­en Müh­len in Betrieb genom­men. Bei den frü­hen Wind­müh­len han­del­te es sich um Bock­wind­müh­len, was ins­be­son­de­re in Abbil­dung 4 deut­lich zu erken­nen ist. Die ers­te Hol­län­der­wind­müh­le in Dith­mar­schen wur­de 1710 in Schülp gebaut (Peter­sen und Scher­reicks, 2006, S. 32). Die­ser Müh­len­typ war weit­aus effi­zi­en­ter als die alten Bock­wind­müh­len, und so über­rascht es nicht, dass die nächs­te Oster­moorer Wind­müh­le ein Hol­län­der war. Sie wur­de im Jah­re 1796 von mei­nem Vor­fah­ren Hin­rich Mei­nert auf dem Bra­ak­deich zu Süden des Moor­wegs gegen­über der Gast­stät­te Süel errichtet.

Die Geschich­te ihres Baus wur­de von Hans-Peter Peter­sen erforscht und in der Bruns­büt­tel­koo­ger Zei­tung (Nr. 304, 31. Dezem­ber 1973)¹ ver­öf­fent­licht (sie­he unten). Sie ist auch in der Müh­len­ge­schich­te Dith­mar­schens, ver­fasst von Peter­sen und Scher­reiks (2006), nachzulesen.

Kirchspielsvogt nannte das Kind beim Namen

Diese Müller haben sich ein Monopol fabricirt, bei dem sie fett werden“

Im Hau­se des kürz­lich verstor­benen Gast­wir­tes Johan­nes Süel in Oster­moor hing jah­re­lang das Bild einer Wind­müh­le, die einst dicht bei sei­nem Hau­se gestan­den und sei­nem Groß­va­ter Johann Jacob Süel gehört hat­te. Eine Vor­gängerin die­ser Müh­le fiel im Jah­re 1717 der ver­hee­ren­den Sturm­flut zum Opfer; das glei­che Schick­sal erlit­ten auch die Müh­len in Aver­lak und Wes­ter­büt­tel. Wäh­rend aber die­se wie­der neu ent­standen, fehl­te es in Oster­moor, wo nur „klei­ne Leu­te“ leb­ten, jahr­zehntelang an einem kapitalkräf­tigen und unter­neh­men­den Man­ne, der eine neue Müh­le hät­te betrei­ben können.

[→gan­zen Arti­kel von Hans-Peter Peter­sen lesen]

Hier noch eini­ge Anmer­kun­gen: In der Dith­marscher Müh­len­ge­schich­te heißt es, dass die Meinert’sche Müh­le der ers­te Hol­lan­der im Kirch­spiel gewe­sen sei – die Müh­le war ent­ge­gen Peter­sens ursprüng­li­cher Annah­me wohl doch kei­ne Bock­wind­müh­le. Die Müh­le gelang­te so schnell in den Besitz von Peter Mei­nert, weil des­sen Vater Hin­rich Mei­nert bereits am 14. Febru­ar 1798 verstarb.

Die letzte Mühle

Die 1892 abge­brann­te Müh­le am Oster­moor­weg wur­de nicht wie­der auf­ge­baut. Ein wich­ti­ger Grund war sicher­lich, wie oben von Jus­tiz­rat Hed­de dar­ge­legt, der kurz zuvor fer­tig gestell­te Kai­ser-Wil­helm-Kanal, der die Müh­le von ihren Kun­den im Nor­den und Wes­ten abschnitt. Aber auch im Osten waren Kun­den ver­lo­ren gegan­gen, nach­dem 1854 im Alten­koog am Land­weg eine neue Müh­le namens „The­mis“ in Betrieb genom­men wor­den war (Peter­sen und Scher­reicks, 2006, S. 56). Der Bau­herr war der Mül­ler Jür­gen Dohrn aus Rumfleth.

Die Müh­le stand im Dith­marscher Teil des Alten­koogs, aber das Wohn­haus befand sich kurio­ser­wei­se bereits im Kreis Stein­burg. Der Nach­fol­ger des Begrün­ders war des­sen Sohn Peter Hin­rich Dohrn. Die­ser war sehr rüh­rig und unter­hielt Geschäfts­be­zie­hun­gen bis nach Fin­ken­wer­der. 1913 wur­de eine Dampf­ma­schi­ne als Hilfs­an­trieb instal­liert, 1919 die Innen­ein­rich­tung der Müh­le moder­ni­siert. Den­noch war die Müh­le nicht mehr zu hal­ten. Als sie 1939/40 abge­bro­chen wur­de, befand sie sich immer noch im Besitz der Fami­lie Dohrn.


Lite­ra­tur

  • Det­lef­sen S.D.F. (1892): Geschich­te der Hol­stei­ni­schen Elb­mar­schen. Zwei­ter Band. Von dem Über­gan­ge der Mar­schen an die Her­zö­ge von Däne­mark, 1460, bis zur Gegen­wart. Glück­stadt. Neu­druck Kiel 1976, Ver­lag Bernd Schramm.
  • Jen­sen W. (1913): Chro­nik des Kirch­spiels St. Mar­ga­re­then. 2. Nach­druck, Auf­trag­ge­ber Gemein­de St. Mar­ga­re­then, 2003.
  • John­sen, W (1961): Bau­ern, Hand­wer­ker, See­fahrer, Lebens­bil­der aus dem Kirch­spiel Bruns­büt­tel und aus dem Lan­de Dith­mar­schen. Hrsg. Ver­ein für Bruns­bütt­ler Geschichte.
  • LAS: Lan­des­ar­chiv Schleswig.
  • Lip­pert W.H. (1962): Anhang zum Arti­kel „Bruns­büt­tel­koog“ von John Jacob­sen. In: Dith­mar­schen, Heft 2, 42 – 44.
  • Peter­sen H.-P. und S. Scher­reiks (2006): Müh­len­ge­schich­te Dith­mar­schens. Hrsg. Ver­ein für Dith­marscher Lan­des­kun­de. Boy­ens, Heide.

Redak­tio­nel­le Anmerkung
¹ [6.6.2017] Der ursprüng­lich von Boy gesetz­te Link zur Bruns­büt­tel­koo­ger Zei­tung war nicht mehr erreich­bar. Auf den Sei­ten von boy​ens​-medi​en​.de sind die betref­fen­den Inhal­te nicht mehr auffindbar.
alter Link: https://​zei​tun​gen​.boy​ens​-medi​en​.de/​t​a​g​e​s​z​e​i​t​u​n​g​/​b​r​u​n​s​b​u​e​t​t​e​l​e​r​-​z​e​i​t​u​n​g​.​h​tml