Nach der Serie von Sturmfluten in den Jahren 1717 bis 1721 wurde das Viertel Ostermoor fast vollständig ausgedeicht. Von der einst volkreichen Bauerschaft Ostermoor blieben nur noch der Dithmarscher Teil des Altenkoogs, die Gegend zwischen Josenburg und dem Hochmoor, das Hochmoor selbst und vielleicht das Kleine Moor (eine Moorinsel inmitten der Bauerschaft) dauerhaft bewohnt. Daher wurde die unten präsentierte „freiwillige Beliebung“ von 1729 nur von wenigen Einwohnern unterzeichnet.
Unter einer Beliebung ist hier eine Art Dorfrecht zu verstehen, das man selbst formulierte. Wie der Inhalt zeigt, ließ das Verhalten einiger Mitbürger damals sehr zu wünschen übrig. Vor allem mangelte es an Respekt den Toten gegenüber. Zudem wurde zu viel getrunken – die Sommersonnenwendfeier stand kurz bevor, man hatte es sicherlich eilig mit der Abfassung der Beliebung.
Offenbar trat die erwünschte Wirkung nicht vollständig ein. In der Neuauflage der Beliebung vom 7. Mai 1742 (LAS 102 KspA Brunsbüttel Nr. 21) wurden die Strafen für Fehlverhalten im Zusammenhang mit Beerdigungen (§2 und §3) daher auf 1 Mark lübsch erhöht.
Erklärung einiger Wörter | |
Behuef |
zum Zwecke hier: für das Viertel Ostermoor Bestattung Bestätigung ein zuwider Handelnder 24. Juni, eigentlich Sommersonnenwende Beerdigung Beachtung Partie Erlaubnis Viertel (das Kirchspiel Brunsbüttel bestand aus vier Vierteln) Mark Schilling |
Die Beliebung von 1729 wurde bereits 1926 von Ludolf Schröder im Jahrbuch des Vereins für Dithmarscher Landeskunde, Band VI, Seite 102 – 104, vorgestellt. Meine Transkription und die von Schröder wurden unabhängig erstellt, sind aber fast identisch.
1729
19 JunÿKund und zu wißen seÿ hirmit, daß beÿ Versamlung der Eingeseßenen
des Virtels Östermohr, unter Ihnen, zu Erhaltung guter Eintracht und
nachbahrlicher Freundschafft, eine freÿwillige Beliebung verab-
redet und zur beständigen observance in gewißen puncten
abgefaßet welche in folgenden bestehe:1. Da vor dem Einbruch des Waßers das Virtel Östermohr, zwo
Beliebungen gehabt, so soll itzo, weil es leider durch die Verwüs-
tung sehr klein geworden, an dieser Beliebung das gantze Virtel
gebunden seÿn.2. Soll beÿ der Leichenbegängnis eines verstorbenen in dem Vir-
tel aus jedem Hause eine Manbahr Persohn folgen, welche sich den
daferne sie nicht durch erhebliche Uhrsachen davon abgehalten
wird, in dem Sterbehause einzufinden, und die Leiche nach ihrer
Ruhe stete zu begleiten, beÿ Straffe 8 ß.3. Wenn 2 Paar Leute in einem Hause wohnen, sollen auch zwo
Persohnen mit zur Leiche gehen, oder der außenbleibende
8 ß Straffe geben.4. Von denen, welche sich in dem Sterbhause eingefunden, soll
niemand aus dem Hause weggehen, bis die Leiche von der Hofstete
gefahren, der dagegen handelnde aber 8 ß zur Straffe
entrichten.5. Soll keiner von denen so mit zur Leiche gehen aus der
Kirche und der Leichenpredigt bleiben, imgleichen Niemand
vom Kirchhofe weggehen bis die Leiche völlig zur Erden bestatiget
und das Vater Unser gebethen, sonst der contravenient 8 ß
zur Straffe gibt.6. Nach bestädigung der Leiche soll das Leichlacken welches
dazu gebrauchet worden, auf der Stelle oder längstens des fol-
genden Tages in deßelben Behausung, beÿ welchen es in Ver-
wahrung ist, wieder geliefert, oder in deßen Ermangelung
dafur 12 ß zur Straffe erlegt werden.7. Die Witwen welche sich in dem Virtel befinden, sollen nur eine
Leiche umb die andere mit zugehen gehalten seÿn, so da sie wenn
sie einmahl gefolget, das andere mahl wieder freÿ seÿn.8. Niemand in dem Virtel soll in seinem Hause oder auf
seinem Acker einen Fremden langer als zweÿ Nächte beher-
bergen und aufnehmen, wenn nicht der selbe vorher beÿ
der Obrigkeit gebührlichen Schein und Beweiß seines ehrlichen
Verhaltens vorgewisen und also permission erhalten, in
Virtel zu wohnen, welcher die, es seÿ eine Mannes oder Frauen
Persohn sofort 4 mk an Bauschuld zuentrichten.9. Wenn umb Johannis im Virtel die Rechnung aufge-
nommen und dabeÿ ein Lustig gelag gehalten wird, sollen
dabeÿ aus jedem Hause nicht mehr als zwo Persohnen
freÿ gehen, die übrigen aber welche sich mit einfinden, das
Biergeld pro qvota zubezahlen schuldig seÿn.10. in solcher Versamlung soll kein Ubermuht ge-
trieben, viel weniger einiger Frevel und Boßheit
ausgeübet werden, sondern ein jeder sich sittsahm auf-
zuführen und immer den anderen bescheidentlich zu begeg-
nen gehalten sein, solte aber Jemand über Vermuhten
Schlägereÿ anfangen, wird solches gehörigen Orts zur
Königl. Brüche angegeben, und soll derselbe überdem
im Virtel eine halbe Tonne Bier oder an Gelde 2 mk 4 ß imglei-
chen wer mehr Bier aus Uebermuth ausgieset als mit einem
Fuße bedecket werden kann 12 ß und wer Scheltworte gegen
Jemand ausstoßet eine willkührliche Straffe geben.11. Sollen alle Jahr zweine geschworne im Viertel gesetzet wer-
den, und die selbe schuldig seÿn zu des Viertels Behuef eine
Partheÿ gute Nothdehlen anzuschaffen, wofür auf jedes
Stück 14 ß gut gethan werden, wenn sie im Virtel vor
gut erkant werden.12. Sollen die Geschworne jahrlich auf dem Sontage vor Pfingsten
ihre Rechnung in der Virtel Versamlung ablegen, und
darauf 2 andere wieder gesetzet werden. Wenn sie aber
darin sich säumig erweisen bezahlen sie deshalb 1 mk 8 ß an
Straffe.Diese vorherstehende Beliebung nun wollen die Interessenten
des Virtels Östermohr für sich und ihre Nachkommen beÿ Ehre
und Treue stete fest und unverbrüchlich halten, auch nicht
zugeben, daß dawieder von Jemanden im geringsten
gehandelt werde. Zu dem Ende hirüber die Confirmation
beÿm Hochlobl. Melldorffschen Gerichte gesuchet werden
soll. Uhrkundlich ist dieses in die Viertels Versamlung
von allen anwesenden Interessenten untergeschrieben.
Geschehen Östermohr d. 19 Juny 1729.
Johann Tiedemann d. Älter.
Jochim Zacharias Frits.
Jochim Meÿer.
Hars Kohlsaat.
Johann Meiners.
Marten Meinert.
Claus Wittrock.
Mangels Bockelmann.Claus Tiedemann P.S.
Johann Tiedemann d. J.
Hans Stöfen.
Johann Peters.
Claus Reimers.
Sierck Siercksen.
Hinrich Hahnkamp.