Bericht aus der Sicht der Ostermoorer
Bereits vor dem großem Angriff vom 20. Juni 1944 waren bei mehreren Gelegenheiten Spreng- und Brandbomben auf Ostermoor gefallen. Diese Angriffe galten offensichtlich der MAWAG, einer Erdöl-Raffinerie. Die Schäden an der MAWAG und im Dorf blieben jedoch gering.
Die Kriegstagebücher von Mitgliedern der alliierten Bomberbesatzungen lassen vermuten, dass für den 18. Juni 1944 ein Großangriff auf die MAWAG geplant war. Wegen schlechter Sichtverhältnisse wurden die Bomber jedoch zu dem Zweitziel, den Kanalschleusen von Brunsbüttelkoog, umgeleitet. Den ausgefallenen Angriff holte man aber schon am 20. Juni 1944 nach. Dabei wurden fünf Soldaten und zahlreiche Zivilisten getötet. Die MAWAG wurde vollkommen zerstört.
Erinnerungen
Wolf Gehrmann trug die Erinnerungen einiger Ostermoorer zusammen und veröffentlichte sie 1994 in der Brunsbütteler Zeitung¹.
„Man wünscht diese Erfahrungen keinem“
Ehemalige Einwohner aus Ostermoor erinnern sich„Die drehen bei Südwende um, die kommen wieder.“ Diese Worte vom Wirt des Gasthofes „Zur Fähre“ hat Anneliese Weber nicht vergessen. Der Gastwirt hatte die Information über die amerikanischen Flugzeuge von Flaksoldaten erhalten, die bei ihm einquartiert waren.
Zusammen mit ihren beiden Kindern ist sie dann in den „Bunker“ gerannt. „Man schließt mit seinem Leben ab. Du glaubst, da kommst du nicht mehr raus“, erinnert sie sich an die 30 nachfolgen Minuten damals. „Wenn die Bomben fallen, kann man sich ja nicht wehren. Es war furchtbar.“
Ihr Mann Walter Weber ergänzt: „Der Bunker war ja auch mehr ein Splitterschutz, ein Loch mit Brettern und Erde abgedeckt. Der ganze Zollweg war von Kratern übersäht.“
In Erinnerung geblieben sind Anneliese Weber auch die Worte ihres damals zweijährigen Sohnes, als ein Soldat rief, daß die MAWAG brennt. „Brennen sehen“ hatte der Kleine immer wieder gerufen.
Danach habe man bei jedem Luftalarm die Bunker aufgesucht. Nach diesem Erlebnis hatten die Familien wochenweise reihum das Moorwasser aus den selbstgebauten Unterstanden geschöpft. Man habe sich gegenseitig sehr geholfen. Das letzte Vierteljahr des Krieges war die heute vitale 80-jährige dann mit ihren Kindern zu den Eltern nach Westerbüttel gezogen. Walter Weber war damals bei der Marine in Eckernförde. Von einem Freund aus Itzehoe erhielt er auf einer Zeitung handschriftlich die Nachricht: Ostermoor brennt. Danach konnte er für wenige Tage nach Hause reisen.
Die damals 23jährige Alma Trzepacz war dienstverpflichtet bei der Flugüberwachung in Brunsbüttelkoog und befand sich rein zufällig an jenem Morgen zuhause. Als der Angriff begann, hatten sie und aus Hamburg ausgebombte Verwandle hinter Schränken in den Zimmern Schulz gesucht. Vorher sei man nie im Keller gewesen, „aber danach sind wir bei jedem Alarm in den Keller gerannt“, meint sie rückblickend. Angst hat Alma Trzepacz vorher nicht gehabt, „man konnte sich so etwas ja gar nicht vorstellen“. Es habe sich aber danach eine richtige Gemeinschaft unter den Einwohnern entwickelt, sagt auch die heute 73jährige. Von der Luftüberwachung haben sie immer Bescheid erhalten: „Es kommt wieder was.“ Die gepackte Tasche mit den wichtigen Dokumenten habe immer bereit gelegen.
An einen Wunsch von damals erinnert sie sich auch heute noch genau: „Wenn der Krieg vorbei ist mal wieder richtig ausgezogen ins Bett legen und ausschlafen.“
Auch Henny Hente hat diesen Tag noch genau vor Augen. Ihre Nachbarin, die Schwägerin des seinerzeitigen MAWAG- Chefs Dr. Consolati, und deren vier Kinder stammten aus Kiel. Als Ausgebombte hatten sie bereits Erfahrungen sammeln müssen. „Frau Hente, kommen sie bloß mit in den Keller“, rief sie, als die Flugzeuge aus Richtung Fleetsee zurückkehrten. Ihre ältere Tochter rief Henny Hente gerade noch vom Schulweg zurück. Der Unterricht begann wegen der ständigen Luftalarme für die übermüdeten Schulkinder erst um 9 Uhr. „Unser Keller schaukelte, keiner wagte etwas zu sagen bis es vorbei war.“ Durch die Bombenexplosionen waren zudem überall in den Zimmern Risse entstanden. Henny Hente packte anschließend ihre Kinder und lief entlang der alten B 5 zu ihren Eltern.
Magda Ritscher sah die angreifenden Flugzeuge von ihrem Bauernhof aus. Insgesamt zählte sie fünf Anflüge aus Richtung Bahnhof Fleetsee. Viele Bomben fielen auf die Felder, so daß nachher Trichter an Trichter lag. Regelrechte „Teppiche“ seien niedergegangen. Die gemauerte „Scheunenwand wackelte wie ein Aal“, ist ihr in Erinnerung geblieben. Eine Folge des weichen Moorbodens. Nach jedem Anflug sei sie rausgelaufen.
Angst habe sie gehabt, „man wusste ja nicht, wo die hinfielen“. Und sehr große Sorgen hat Magda Hitscher um ihre Tochter Berta gehabt, die sich auf dem Weg zur Schule befand, Diese hatte die schrecklichen Minuten glücklicherweise beim Nachbarn im Keller verbracht und „kam quietschvergnügt zurück“.
Man wünscht diese Erfahrungen keinem, ist die übereinstimmende Meinung aller Frauen, die damals diese Minuten in Ostermoor zubrachten. Aus ihrer Sicht ist es erschreckend, wie schnellebig und unpersönlich über Kriege und Konflikte allabendlich in den Nachrichten berichtet wird. Dankbar sind sie dafür, daß unser Land davon nicht betroffen ist.
(aus der Brunsbütteler Zeitung, 1994)
Die Folgen
Die Bilder (freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Herrn R. Hoffschulze, Brunsbüttel) vermitteln einen Eindruck von den Folgen des Angriffs.
Dieses unmittelbar nach dem Angriff →aus einem alliierten Bomber aufgenommene Bild zeigt die Explosionswolken der Bomben.
Letzte substanzielle Änderung: 6. Oktober 2011
Redaktionelle Anmerkung
¹ [9.9.2019] Der ursprünglich von Boy gesetzte Link (https://zeitungen.boyens-medien.de/tageszeitung/brunsbuetteler-zeitung.html) führt zu einer Fehlermeldung. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Seite nicht mehr online ist.